Das Thema Reflexion in den Wachsarbeiten von Ulla Ströhmann

Text von Bruno Toussaint, 2011

Ulla Ströhmann zeichnet sich als Künstlerin vor allem dadurch aus, dass sie eine intuitive, ja fast mystische Durchdringung der Materialstruktur von Wachs mit einer rationalen Annäherung an das Thema Reflexion verbindet. Zugleich stehen ihre Werke in einem intensiven Dialog zu Architektur und Raum.

Als eine dem formalen Duktus zugewandte Künstlerin, geht es ihr um Stringenz und klares Denken in einem konkreten und strengen bildnerischen Sujet.

Der Aufbau der Farben aus vielen mit einem scharfen Stahl geglätteten Wachsschichten öffnet sich weich zum einströmenden Licht hin und steht gleichzeitig in auffälligem Kontrast zu den entweder unter oder auf den Wachsschichten eingearbeiteten Blattmetallen. Ebenso wird die gesamte gestaltete Bildfläche von einem Ordnungsprinzip aus horizontalen und vertikalen Linien beherrscht, das den Betrachter und sein Gefühl für räumliche Statik in das Bildgeschehen mit einbezieht.

Mit solchen unmittelbar auf Licht reagierenden Farb- und Materialkontrasten zeigt Ulla Ströhmann ein Alleinstellungsmerkmal in der zeitgenössischen Kunst. Virtuos inszeniert sie eine vorwiegend monochrome Farbigkeit mit dem Wachs, die selbst von modernen industriellen Künstlerfarben nicht erreicht werden kann, da deren Polymerstruktur ein derartiges Eindringen des Lichtes in die Tiefe des Mediums, mit Metallen als Untergrund und diffuser Reflexion zurück in den Raum, nicht erlaubt.

In den neueren Bildwerken ab 2011 bezieht Ulla Ströhmann nun vermehrt dynamische Licht- und Schattenstrukturen in das Bildgeschehen mit ein. Sie experimentiert mit in hauchdünnen Schichten aufgetragenen Mineralfarbtönen und mit einem porösen Grau oder Schwarz, welches gleichsam als trüb changierendes Moiré über den nur noch ganz schwach angedeuteten Buntfarben und den Metallen zu schweben scheint.

Für den Betrachter entsteht somit der Eindruck eines räumlichen, sich meist „unscharf“ darstellenden Sfumatos aus nicht mehr eindeutig verifizierbaren Schmutztönen, wo das Licht in optischer Brechung mit den nur marginal erkennbaren metallischen Strukturen träge und zeitverzögert hindurch zu fließen scheint.

Diese durch eine diffuse Lichtreflexion erzeugte Dimension des Unbestimmten, in der zugleich das Nicht-Abbildbare, das Unsichtbare, das Unbewusste und das Unendliche als zeitliche Ausdehnung mit einbezogen wird, ist das eigentlich Neue in Ulla Ströhmanns Werk. In einem klar konfigurierten erkenntnistheoretischen Spiel führt sie uns durch Räume einer Wirklichkeit, hinter der sich immer mehr Räume zukünftiger Wirklichkeiten verbergen.

Nur wenigen Künstlerinnen wie ihr ist es damit gelungen, sich ein Farbmedium - die klassische Enkaustik - so anzueignen, dass es Materialien integriert und gleichzeitig mit Licht entmaterialisiert. Ohne Übertreibung kann man sagen, dass Ulla Ströhman im Laufe der Jahre in ihren Werken etwas erreicht hat, was in vielen Künstlerrezensionen zur Malerei immer wieder nur interpretiert wurde, hier aber wird es konkret: Ihr gesamtes Werk zeigt sich als eine Malerei des Lichts.

Bruno Toussaint, Berlin / Köln, 2011

Zum Autor: Toussaint ist freiberuflicher Kunstautor und Farbenentwickler. Spezialgebiet: Evolution historischer Lacktechniken und Weiterentwicklung zu modernen 3D-Bildprojektionstechniken auf Basis optisch wirksamer Lacke.