Von Flächen, Wachs, Farbe und Räumen
Zur Kunst von Ulla Ströhmann

Text von Dr.Johannes Stahl, Köln, 2016

 

Fläche

Bilder sind flächige Gebilde – und wie alle Tafelbilder dehnen sich auch die Arbeiten der in Köln lebenden Ulla Ströhmann in die üblichen zwei Dimensionen aus. Im Gegensatz zu vielen anderen Bildern jedoch nutzen sie das zur Verfügung stehende Bildfeld, um dessen Flächen selbst zum Thema zu machen. Eine klare, rechteckige Aufteilung stellt Proportionen her, setzt Verhältnisse in Kraft zwischen Flächenpartien, ganz so wie es ein Buchlayout leistet, ein Spielfeld oder mitunter Grenzziehungen zwischen neugeschaffenen Staaten. An die Wand gebracht, kann dieses ihnen innewohnende Verhältnis der Flächen ein weiteres Feld von möglichen Bezügen aufspannen: zu Fenstern und ihrer Positionierung in der Wand, zu Vorhängen oder anderen Elementen der Innenarchitektur.

Solche Assoziationen haben jedoch Grenzen. An den Rändern, wo traditionellerweise ein Rahmen zwischen der Realität innerhalb des Bildes und der außerhalb trennt, verzichtet Ulla Ströhmann nicht nur auf diese Schutzmaßnahme, sondern rundet die Ecken ab und lässt das verwendete Material um die Bildkante umgreifen. Wenn es hier um Flächen geht, dann geht es um die inneren Angelegenheiten dieser Felder im Bild selbst.

Wachs

Enkaustik, das Malen mit Wachs als Material, hat eine schon lange Tradition. Bewährt hat sich Wachs als Versiegelung von Fresken: hier schützt die Wachsschicht die aufgetragene Farbe und den Putz. Zudem vereinheitlicht dieses Material die Oberfläche und gibt ihr einen matten Glanz. Ulla Ströhmann nutzt Wachs im Gegensatz zu solchen eher technischen Verwendungen jedoch als Träger von Pigmenten. Durch das Volumen des halb durchsichtigen Materials entsteht eine körperhafte Wirkung. Wachs schließt dabei nicht nur die Farbstoffe ein, sondern alles, was im Verarbeitungsprozess zwischen heißem und kaltem, flüssigem und festem Aggregatszustand Spuren hinterlässt: die Richtung des Auftrags, die Dichte und Verteilung des Pigments, und darunter liegende Schichten ohnehin. Nicht zuletzt nimmt die empfindliche Oberfläche Spuren des Werkprozesses auf. An einigen Stellen kann man ein klar gezogenes, begrenzendes Lineament erkennen.

Unmittelbar neben diesem Material platziert Ulla Ströhmann Flächen mit Metall. In klar begrenzten Rechtecken auf das Wachs gelegt, formen die silbrig schimmernden Oberflächen des Blattmetalls in Spuren das ab, was sie unter sich verbergen. Vor allem aber haben diese Flächen einen eigenen Glanz, der sich deutlich vom matten Schimmer der Wachsflächen unterscheidet. Diese mitunter schrundigen Oberflächen mit ihren kleinen Unregelmäßigkeiten reflektieren das vorhandene Licht, während es im Farbkörper des Wachses daneben wie geborgen erscheint. Als Spiegel dienen sie kaum.

Farbe

Es liegt auf der Hand, dass angesichts dieser elementaren Beschäftigung mit dem Material die Frage nach den verwendeten Farben eine besondere Rolle einnimmt. Schließlich hat jede Farbe einen Stimmungswert und schafft eine Atmosphäre – zumal wenn sie als Fläche aufgetragen wird und keine erzählerische Figur ergibt. Dass Farbsymboliken im Hintergrund der Wahrnehmung eine Rolle spielen, kann man keineswegs ausklammern. Allerdings erzeugt die je spezielle Mischung der Farben eher eine Neugier auf das Besondere des hier getroffenen Farbtons und seine spezifischen Werte. Angesichts der gewichtigen Rolle, welche das jeweilige Licht für diese spezielle Nuance der Farbe auslöst, geht es hier eher um eine Grundlagenforschung in Sachen Farbe, Feld und Oberfläche. Nicht zu unterschätzen ist die individuelle Wahrnehmung der Betrachter für diese Recherche: jeder sieht Farben anders, hat eigene Erfahrungswerte damit. Die Farbe versetzt jedoch nur einen ersten Impuls. Wer sich auf eine längere Wahrnehmung der Felder einlässt, wird Spuren entdecken, die von Gesten herrühren; Sedimente einer differenzierten malerischen Beschäftigung mit dem Innenleben dieser Flächen.

Die Frage nach dem Raum

Zumindest in der alltäglichen Erfahrung deuten Flächen auf Räume hin. In der aus strenger Geometrie konstruierten konkreten Kunst stellt sich zumindest die Frage nach Vorne und Hinten, auf Verkehrschildern beispielsweise sind Regeln für räumliche Abläufe festgelegt. Von solchen Hintergründen wird auch der Betrachter von Ulla Ströhmanns Bildern nicht frei sein. Manche horizontale Linie in den Bildern kann dann an Horizonte in der Natur denken lassen oder an solche der eigenen Wahrnehmungsmöglichkeiten. Die gerade gezogenen Furchen zwischen den Bildfeldern bilden ein Oberflächenprofil aus, geben dem Charakter dieser Arbeiten als Bildkörper eine Kontur. Im Wechselspiel mit dem räumlichen Umfeld klären die intensiven Bilder der Kölner Künstlerin (und deren Kombinationen) die Proportionen ihrer jeweiligen Umgebung, mischen sich ein, richten mitunter Fragen an sie. Ulla Ströhmann bestellt ihre Bildfelder für mehrere Ernten.

Dr.Johannes Stahl, Köln, 2016