Klarheit und Konfrontation

Text von Alexandra Simon-Tönges, 2018
Einführungsrede zur Ausstellungseröffnung im Kunstverein Eschweiler

Wir sind umgeben von Ulla Ströhmanns Arbeiten, die dem Raum eine fast sakrale Aura verleihen mit ihrem farbigen Schimmer und silbernem Glanz. Vielleicht ist Ihnen auch der ungewöhnliche Geruch aufgefallen. Genau dieser leicht würzige, honigartige Geruch von Wachs umfängt uns beim Hineinkommen, noch bevor wir die Bildobjekte visuell erfassen.

Ulla Ströhmann nutzt für ihre Kunst die Enkaustik, eine Jahrtausende alte Technik, die die Künstler in der Antike bereits verwendeten und die heute fast vergessen ist. Das Wort stammt vom griechischen Begriff enkauston was eingebrannt bedeutet. Enkaustisch gemalte Werke sind äußerst beständig, noch heute bestechen Tafeln, die im ersten vorchristlichen Jahrhundert entstanden sind, durch ihren guten Erhaltungszustand. Bei dieser Technik wird Bienenwachs erwärmt, die Farbpigmente werden darin aufgelöst und die Masse wird dann warm auf die Tafeln aufgetragen. Die Künstlerin trägt mehrere Farbschichten auf Holztafeln auf, kombiniert hellere und dunklere Töne einer Farbe und erzeugt so eine auf den ersten Blick homogene und einfarbige Fläche, die aber in sich äußerst belebt wirkt.

Nach ihrem Studium der Freien Kunst und der Bildhauerei hat sie zunächst plastisch gearbeitet und erst seit sie Anfang der 90er Jahre auf die Technik der Enkaustik stieß, arbeitet sie in der Fläche. Es war somit das Material, das die Ausdrucksform bestimmte. Zunächst hat sie Tafeln in verschiedenen Farben gestaltet, später erweiterte sie das Farbspektrum um die Kombination mit Blattmetall. Hier trägt sie Blattmetallplatten auf das Wachs auf, durch eine abschließende Bearbeitung und eine mechanische Politur bekommen die Flächen entweder eine kühlere, glatte oder eine wärmere, fast antik wirkende Erscheinung.

Im hinteren Raum sehen wir ältere Arbeiten, bei denen farbige und silberne Flächen auf einer Tafel kombiniert werden. Die Flächen sind streng geometrisch gegliedert, vertikale und horizontale Linien bestimmen das Bild, Quadrat und Rechteck werden in unterschiedlichen Größenverhältnissen nebeneinander gelegt. Bei den neueren Arbeiten, die wir hier im Raum sehen, ist sie dazu übergegangen, die Flächen zu trennen und als Diptychon (zwei Tafeln, die aber beide Teile eines ganzen Werkes sind) zu gestalten. Dadurch rückt der Bildcharakter etwas zurück. Das Volumen des Materials verleiht den Tafeln eine plastische Wirkung. Die abgerundeten Kanten und das um die Kanten greifende Wachs verstärken diesen Effekt und lassen die Tafeln eher wie Objekte wirken.

Bei diesen Bildobjekten ist die Wirkung der einzelnen Tafeln sehr gegensätzlich. Die mattschimmernden farbigen Flächen schlucken das Licht, sie wirken warm, weich und sinnlich, fast körperhaft; die silberfarbenen Flächen hingegen reflektieren das Licht, sie wirken glatter und härter. Man scheint sich in der silbrigen Fläche spiegeln zu können, zumindest findet das Umgebungslicht einen Widerhall. Erst bei näherer Betrachtung fallen die Risse und Fältelungen auf, die die Bildfläche beleben. Die farbigen Flächen üben eine regelrechte Sogwirkung auf den Betrachter aus und scheinen ihn in die Tiefe des Bildes hinein zu ziehen. Sie wirken wie die Trennung von Licht und Farbe. Diese zwei Teile eines Ganzen sind einerseits ganz eigenständig, bedingen einander zugleich und beeinflussen die Wirkung der nebenstehenden Tafel.

Ulla Ströhmann gestaltet Farbe, das Thema befindet sich innerhalb der Malerei, es ist die Farbmasse an sich. Die Klarheit der Farbe tritt ganz autonom auf und dient keinem anderen Zweck als der eigenen Ausstrahlung. Es geht um den Selbstwert der Farbe. Diese Farbe hier ist nicht die Farbe eines Objektes, nicht das Rot einer Tomate oder das Grün einer Pflanze. Aber: es geht nicht um den reinen Farbwert, sondern um die Wirkung eines Farbpigmentes, das in Wachs aufgelöst und von der Künstlerin aufgetragen, seine ganz besondere Erscheinung gewinnt. Es sind keine wie lackiert wirkenden glatten und völlig ebenen Flächen, sondern der Bearbeitungsprozess bleibt bis zu einem gewissen Grade sichtbar. Die Richtung des Farbauftrags verleiht der Fläche Tiefe, Lebendigkeit und Struktur. In den Unebenheiten der nie ganz planen Fläche bricht sich das Licht und sorgt je nach Blickwinkel für immer neue Bildeindrücke. Hier und da glaubt man, Landschaftsbilder zu sehen, tiefe Gewässer oder menschenähnliche Formen. Aber auch ganz unabhängig von Assoziationen, die mit der sichtbaren Wirklichkeit zu tun haben, gewinnen die Farben einen ganz eigenständigen Charakter. So strahlt das leicht in Pink greifende Rot Kraft und Selbstbewusstsein aus, das Schwarz ist nicht düster, sondern wirkt erhaben und würdevoll. Solche Interpretationen kann natürlich nur jeder Betrachter für sich selbst finden, da die Wirkung von Farben letztlich sehr individuell ist.

Genau solche Wahrnehmungsphänomene machen Ulla Ströhmanns Kunst völlig einzigartig und für den Betrachter interessant.

Alexandra Simon-Tönges, M.A. Kunsthistorikerin, Aachen, 2018